DER BLAUBEERSOMMER

Titel: Der Blaubeersommer
Autorin: Polly Horvath
Thema: Wahlfamilie, Zusammenleben von Alt und Jung, Selbstvertrauen, Zusammenhalt, Freundschaft
Altersempfehlung: ab 12 Jahre

🐚 Inhalt:

Leicht hat es die dreizehnjährige Ratsche, die mit ihrer egozentrischen Mutter in einer Kellerwohnung in Kalifornien lebt, wirklich nicht. Nicht nur, dass sie nach einem gynäkologischen Werkzeug benannt ist – nein, sie hat auch noch ein furchtbar hässliches Ding auf der Schulter, von dem die Mutter behauptet, dass Ratsche es keinesfalls, unter gar keinen Umständen jemals irgendjemand zeigen darf.

Eines Tages verkündet Ratsches Mutter aus heiterem Himmel, Ratsche zu ihren verzweigt verwandten „Tanten“ zu bringen, wo sie die Ferien verbringen soll. Und so wird Ratsche bei den alten Damen Tilly und Penpen abgeliefert. Ohne jegliches Gepäck, denn das hat die Mutter vergessen.

Tilly und Penpen wohnen in Kanada, fernab jeglicher Zivilisation. Wenn man in die nächste Stadt möchte, braucht man ein Auto – nicht nur wegen der Distanz, sondern auch, weil es sonst gut sein könnte, dass man vom Bären gefressen wird. Bären gibt es in dem Wald rund ums Haus nämlich viele, weswegen bei der Blaubeerernte (die beiden Damen leben vom Verkauf der eingemachten Saucen und Marmeladen) immer eine mit dem Gewehr Wache halten muss. Was ziemlich unangenehm ist, schließlich heißt das, den ganzen Tag mit einem Gewehr in der Hitze stehen zu müssen. Und Penpen und Tilly sind ja nicht mehr die Jüngsten.

Ausgerechnet diese beiden schrulligen alten Tanten sind es nun, die Ratsche das erste Mal erfahren lassen, wie sich Geborgenheit anfühlt. Auch wenn die beiden viel vom Alter und dem bevorstehenden Tod reden. Oder auch dem Tod ihrer Mutter, die sich einst den Kopf abgehackt hat.

Als dann auch noch das Waisenmädchen Harper irrtümlicherweise bei den beiden Damen abgegeben wird, ist das Quartett perfekt. Ratsche, Penpen, Tilly und Harper wachsen zu einer Familie zusammen. Und das ist gut so, denn bald wird klar, dass die beiden Mädchen keiner mehr abholen wird.
Doch Penpen und Tilly wissen, dass ihre Zeit begrenzt ist – und Ratsche und Harper sind noch lange nicht volljährig.

💬 Meine Meinung:
Dieses Buch (bzw. Hörbuch) hat mich von Anfang an mitgerissen. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes bitter-sweet, immer wieder ist mir ein Lachen entkommen, dann wieder sind mir Tränen über die Wangen gekullert.
Die Dialoge sind herrlich zynisch und geistreich, und die Protagonist:innen so liebevoll ge- (bzw. über-) zeichnet, dass das Hörbuch eine wahre Freude ist. 

Für Jugendliche hält Der Blaubeersommer die ganz großen Themen bereit. Es geht um Jugendliche, die von ihren Eltern verstoßen werden. Um Minderwertigkeitskomplexe und Schuldgefühle, die Jahrzehntelang mit sich herumgetragen werden, weil Eltern versagt haben. (Weil Eltern eben nicht nur Eltern sind.)
„Ein Mensch kann so schlimm verletzt werden, dass er beschließt, ganz stillzuhalten“, heißt es beispielsweise an einer Stelle. 
Es geht aber auch darum, seinen Platz im Leben zu finden – und um Zusammenhalt und Freundschaft fürs Leben.

Trotz der schweren Thematik wird die Geschichte niemals depressiv oder gar düster, denn Polly Horvath überzeichnet ihre Figuren ganz massiv, sodass man selbst über die Gemeinheiten von Ratsches Mutter herzhaft lachen kann. Das macht das Ganze zu einer leichten und gleichzeitig unheimlich intensiven Lektüre – nicht nur für Jugendliche ab 12, sondern auch für Erwachsene mit 27, 46, 69 oder 97. 🙂

Fazit: Absolut herzerwärmend und empfehlenswert!

Stadtbibliothek Graz

Titel: Der Blaubeersommer
Autorin: Polly Horvath
Übersetzung: dem Englischen von Christiane Buchner
Verlag: Bloomsbury, Berlin
Publikationsjahr: 2005 (Original 2003)
Hörbuch: Igel Records / Oetinger, 2006
Sprecher: Friedhelm Ptok 
ISBN: 978-3893531424
Alter: ab 12

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